Bienenvater 83(3) 1962 S.79-81
Als ich am Abend des 22. Juli von den Außenständen zurückkehrte, ging ich gewohnheitsmäßig zum Heimstand. Nichts ahnend kam ich an einem der Völker mit amerikanischer Königin vorbei und sah ringsum den Rasen mit Bienen bedeckt. Um jeden Zweifel auszuschalten, wurden sofort Proben zur Untersuchung nach Rothamsted geschickt. Die Befunde entsprachen den Erwartungen: “Alle Bienen mit Milben infiziert; keine Anzeichen von Nosema oder Amöben vorhanden”. Die Massenkrabblerei dauerte etliche Tage und nach dem Verlust von annähernd 60 % der Bienen erholte sich das Volk einigermaßen noch vor Ende Herbst. Trotzdem ging es auf kläglichste Weise, mit allen Anzeichen der Milbenseuche, im Laufe des Winters ein. Im zweiten Volk brach die Seuche zwar erst im darauf folgenden Frühjahr aus, aber dann in intensiver Form.
Ich muss noch hervorheben: zur Zeit der ersten Massenkrabblerei befanden sich weitere 48 Völker am Heimstand und keines der Völker wies damals und bis heute ein Anzeichen einer Milbeninfektion auf. Der Sommer 1959 war überdies sehr schön. Die Trachtverhältnisse waren von anfangs Mai bis zum Ende der Heidetracht gut, mit einem Honigertrag von 172 Pfund (etwa 78 Kilogramm) pro Volk. Die günstigen Trachtverhältnisse hatten hier keinen hemmenden Einfluss auf die Krankheitsentwicklung ausgeübt.
In all den vorgeführten Beispielen handelte es sich auf der einen Seite um eine erblich bedingte Milbenanfälligkeit und auf der anderen um eine offensichtliche erblich bedingte Widerstandsfähigkeit — in identischen Umwelt-, Klima- und Trachtverhältnissen. Dass es sich um eine erblich bedingte Anfälligkeit handelt, ist wohl kaum zu bezweifeln nach dem letzt erwähnten Beispiel; eine erbliche Resistenz ist, in Anbetracht der gegebenen Tatsachen, nicht weniger gut begründet. In der ganzen Tier- und Pflanzenzucht stoßen wir auf Beispiele von Krankheitsanfälligkeit sowie Resistenz. Die Honigbiene stellt diesbezüglich gewiss keine Ausnahme dar. Wir dürfen jedoch Immunität mit Resistenz nicht verwechseln. In der Pflanzenwelt, wo Selbstbefruchtung oder vegetative Vermehrung besteht, gibt es viele. Beispiele von erblich bedingter Immunität. Bei den höheren Lebewesen dagegen selten oder gar nicht. Es ist folglich sehr unwahrscheinlich, dass wir im Fall der Honigbiene — wo immer eine Unzahl von Individuen in einem Volk in Betracht kommen; die nie 100 % reinerbig sind — in der Tat, wo hohe Reinerbigkeit gleichbedeutend ist mit Lebensunfähigkeit — je von einer Immunität reden dürfen. Allerdings dient eine hohe Resistenz, wie sie hier in Frage steht, unseren wirtschaftlichen und praktischen Bedürfnissen vollauf. Wir wissen nicht worauf die Milbenresistenz beruht. Wir wissen aber, dass im Labor sowie in extrem ungünstigen Lebens- oder Umweltverhältnissen die Milbenresistenz versagen kann. Aber sie bildet diesbezüglich keinen Sonderfall, sondern bestätigt nur die allgemeine Erfahrung mit anderen Lebewesen, wo eine Krankheitsresistenz besteht.
Oft wird die Ansicht vertreten, dass günstige Trachtverhältnisse und ein dadurch herbeigeführter schneller Bienenumsatz zu einer Selbstheilung eines milbeninfizierten Volkes führen kann. Andere sind dagegen wieder der Meinung, eine Selbstheilung sei auf keinen Fall möglich. Beide Ansichten stimmen mit unseren Erfahrungen nicht überein, wenigstens nicht ohne Vorbehalte. Es verhalten sich bekanntlich nicht alle Bienenstämme oder Völker bloß hochgradig anfällig oder resistent, sondern es gibt zwischen den beiden Extremen alle möglichen Abstufungen. Wo eine hohe Anfälligkeit für die Milbenseuche besteht, erscheint eine Selbstheilung praktisch ausgeschlossen; hingegen können ein entsprechendes vorhandenes Maß Resistenz günstige Trachtverhältnisse eine Selbstheilung bewirken. Die Erfahrung hat gelehrt, dass auch ein schwer vermilbtes Volk durch das Zusetzen einer Königin eines resistenten Stammes gerettet werden kann, vorausgesetzt, dass die Verfassung des Volkes sowie die Tracht und die jahreszeitlichen Bedingungen ein Aufkommen erlauben. Uns ist noch nie eine Umweislung misslungen, sofern diese elementaren Vorbedingungen vorhanden waren. Nachdem es sich hier um kehle Immunität handelt, sondern nur um eine Resistenz, darf man allerdings nicht erwarten, dass ein schwer verseuchtes Volk innerhalb weniger Wochen frei von Milben ist. Die Erfahrung hat ferner gezeigt, dass sich die Resistenz erst im Lauf einiger Generationen vollauf durchsetzen kann — wie dies nicht anders zu erwarten ist unter den gegebenen Verhältnissen.
Es muss noch betont werden, dass wir zur Bekämpfung der Milbe niemals Medikamente anwandten — und nur aus dem einen Grund: sobald Gegenmittel solcher Art angewandt werden, kann man nicht mehr feststellen, welche Völker oder Stämme sich resistent verhalten. Damit wäre auch jede Auslese sowie züchterische Beeinflussung vergeblich. Medikamentöse Krankheitsbekämpfungsmittel haben einen ganz bestimmten Wert in der Imkerei. Ich vertrete allerdings die Ansicht, daß eine endgültige Lösung der Krankheitsbekämpfung, praktisch und wirtschaftlich betrachtet, nur auf dem Weg der Züchtung erfolgen kann. Im Fall der Milbenseuche erscheint der Sachverhalt eindeutig; bezüglich der Paralysis, eine Art Schwarzsucht, stehen mir eine Unzahl Beweise zu Gebote, die eindeutig auf eine erblich bedingte Anlage hinweisen. Hinsichtlich der Nosema müssen weitere Ergebnisse abgewartet werden, ehe wir eine klare Übersicht haben und was die Brutkrankheiten anbelangt, führten amerikanische Züchtungsversuche zu beachtenswerten Ergebnissen.
Die Herkunft der Tracheenmilbe wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Eine besonders ausgedehnte Verbreitung derselben vor dem Ausbruch der Epidemie auf der Insel Wight erscheint jedoch unwahrscheinlich, denn sonst würde man sie auch in Neuseeland, Australien und Nordamerika finden, das ist aber nicht der Fall gewesen. Alle anderen Bienenkrankheiten wurden ohne Ausnahme mit der Einführung der Honigbiene in diese Länder verschleppt, nur die Tracheenmilbe nicht. Es wird hin und wieder die Meinung geäußert, daß Acarapis woodi, wegen den klimatischen Verhältnissen, sich dort nicht halten konnte und mit der Zeit ausstarb. Diese Hypothese darf man wohl mit Recht bezweifeln, denn ich habe die Milbe im subtropischen Nordafrika und in den beinahe regenlosen Gegenden von Südspanien gefunden. Der jeweilige Verlauf und die schädigende Auswirkung einer Milbeninfektion ist gewiß weitgehend von klimatischen Verhältnissen abhängig. Aber daß die Milbe in die erwähnten Kontinente eingeführt wurde, sich aber nicht halten konnte, scheint mir mehr als unwahrscheinlich.
Die Ausführungen von Bruder Adam erscheinen außerordentlich interessant und es wäre wertvoll zu untersuchen, ob es sich um anatomisch bedingte Ursachen — etwa kleinerer Stigmen — oder auf physiologischer Basis — der Milbe nicht konvenierenden Hämolymphe — handelt.