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auf Thomas Kober, starb †24.10.2012 (46 Jahre) |
Für die meisten Züchter unter den Imkern ist die Paarungsbiologie der Honigbiene ein Graus: Die Begattung im Flug macht eine effektive Paarungskontrolle fast unmöglich. Sowohl die künstliche Besamung als auch der Betrieb von Insel- und Hochgebirgsbelegstellen sind mit einem erheblichen Aufwand verbunden; die Begattung im Flugkäfig funktioniert nicht. Wen wundert es, dass findige Imker schon seit langem nach neuen Möglichkeiten suchen.
Eine kaum bekannte Methode ist die so genannte „Begattung bei eingeschränkter Flugzeit“, die sich die Tatsache zunutze macht, dass natürliche Begattungen nur für relativ kurze Zeit am Nachmittag stattfinden. Die für die Zucht vorgesehenen Königinnen und Drohnen werden zu dieser Zeit am Ausflug gehindert und erst nach der natürlichen Begattungszeit freigelassen. Dadurch sind sie gezwungen, sich untereinander zu paaren. Entsprechende Versuche sind schon seit über hundert Jahren bekannt. Doch leider handelt es sich dabei nur um anekdotenhafte Berichte über wenige Königinnen. Mal hat es funktioniert, mal nicht. In der deutschen Imkerliteratur ist diese Methode unter dem nicht ganz zutreffenden Begriff Mondschein Begattung bekannt geworden.
Joe Horner aus Rylstone in Australien betreibt eine Berufsimkerei mit rund 900 Völkern im Tafelland von New South Wales, etwa 240 km westlich von Sydney. Neben der Honigproduktion beschäftigt er sich intensiv mit der Zucht. Seine Zuchtziele sind außer dem Honigertrag vor allem Vitalität, Sanftmut und keine Neigung zu Wirrbau. Daher lassen sich seine Bienenvölker grundsätzlich ohne Schleier bearbeiten, und die Waben sehen aus wie bei Bruder Adam — frei von Wirrbau. Bei den wild lebenden Völkern, die in den trachtreichen Gegenden des Varroa-freien Australien sehr zahlreich sind, kommt ausgeprägte Sanftmut nicht vor.
Joe züchtet vor allem reine Carnica, daneben aber auch Ligustica und Caucasica. Pro Jahr werden mehr als 2.000 Königinnen auf seiner Belegstelle begattet. Die Zuchtperiode erstreckt sich in New South Wales etwa von Ende Oktober bis Anfang März.
Wie so viele gute Ideen, entstand auch Joe Horners Methode der Paarungskontrolle aus einer Notsituation heraus. 1978 organisierte ein regionaler Imkerverbandeinen offiziellen Import von Carnica- und Ligustica-Königinnen aus Europa. Joe Horner richtete in den Hay Plains, einer Halbwüste im Inneren Australiens, eine Oasen Belegstelle ein. Zur damaligen Zeit war dort der bewässerte und damit für Bienen geeignete Bereich klein und überschaubar. Wildvölker konnten leicht entdeckt und zerstört werden, falls überhauptwelche auftauchten. Joe konnte von dort aus die australischen Königinnen — Vermehrer leicht mit rein-begatteten Zuchtköniginnen versorgen. Doch bereits nach einigen Jahren machten intensive Bewässerungsprogramme in den Hay Plains die Oasen-Situation zunichte. Der nächste geeignete Platz wäre über 1.000 km von Joes Wohnort entfernt gewesen.
Als Alternative entwickelte und perfektioniert Joe die Begattung bei eingeschränkter Flugzeit (CFTM = "Controlled Flight Time Mating").
Das Grundprinzip der Methode besteht darin, den Bienen eine 22-Stunden-Nacht und nur zwei Stunden Tageslicht pro Tag vorzutäuschen. Dadurch werden alle Tagesaufgaben der Bienen innerhalb dieser zwei Stunden absolviert — auch der Paarungsflug der Königin. Die Bienen werden bis zum späten Nachmittag in einem dunklen, gekühlten Raum gehalten, bis alle Drohnen von Wildvölkern für diesen Tag in ihren Stock zurückgekehrt sind. Sobald dies gewährleistet ist, werden die Königinnen und die gewünschten Drohnen freigelassen.
Im Vergleich zur instrumentellen Besamung ist nicht nur der Arbeitsaufwand bedeutend geringer, sondern es kommen hierbei — wie unter natürlichen Bedingungen — nur die vitalsten Drohnen zur Paarung. Dass diese Methode nur funktionieren kann, wenn sie nicht auch von anderen Imkern im Umkreis angewendet wird, versteht sich von selbst.
Fig. 1. Die CFTM-Belegstelle in Betrieb. Im Hintergrund das Gebäude, in dem den Bienen tagsüber Nacht vorgetäuscht wird; davor die in Stellung gebrachten Begattungsvölkchen: 3 Schienen mit je 10 Langstrothmagazinen, in denen jeweils 4 Begattungseinheiten untergebracht sind. |
Joe Homers CFTM-Belegstelle befindet sich auf seinem Grundstück an einem nördlichen (Sonnenseite auf der Südhalbkugel!) Talhang, auf den die letzten Sonnenstrahlen des Nachmittags fallen, also mit etwas späterem Sonnenuntergang. Die Begattungseinheiten sind tagsüber in einem Kühlraum untergebracht, der von einem Diesel-Generator mit Energie versorgt wird. An Dach und Wänden ist der Kühlraum mit 100 mm Styropor-Platten isoliert. Alle Oberflächen im Inneren, auch der Boden, sind matt schwarz gestrichen. Zwei Kühleinheiten sorgen dafür, dass eine vorgetäuschte Nachttemperatur von 15-17°C aufrechterhalten wird.
Nach Osten und Westen führen aus diesem Raum je drei Schienen mit jeweils 10 Wagen mit je einem 4-fach-Begattungskästchen (ein gevierteltes Langstroth-Magazin). Somit beträgt die Gesamtkapazität 240 Begattungseinheiten. Zwischen den einzelnen Schienen besteht ein Abstand von 2,5 m, zwischen den Wagen sorgen 2 m lange Verbindungs-Ketten für den notwendigen Abstand. Dieses Schienensystem beschleunigt und erleichtert den Transport aus dem Kühlraum und zurück ganz erheblich. Zum Herausziehen oder Hereinschieben wird eine Stange mit einem Winkeleisen am unteren Ende verwendet.
Sobald die Begattungseinheiten mit einer schlupfreifen Zelle beweiseltwerden, kommen sie in den Kühlraum und werden ab dann an die kurze abendliche Flugzeit gewöhnt. Es dauert 2-3 Tage, bis sich die Bienen an diese Prozedur gewöhnt haben. Etwa 10 Tage später sind die Königinnen in Eiablage. Bei ungünstiger Witterung kann sich dies allerdings auch um bis zu fünf Tage verzögern.
Die Begattungskästchen werden dann an einen anderen Standort transportiert, wo sie normalen Tageslichtzeiten ausgesetzt sind. Auf der Belegstelle kann ein neuer Durchgang beginnen.
Joe entnimmt die begatteten Königinnen erst dann, wenn ihre erste Brut geschlüpft ist. Die Begattungsvölkchen befinden sich also knapp zwei Wochen unter CFTM-Bedingungen und gut drei Wochen unter natürlichen Bedingungen. Damit dürften sie nicht unterversorgt (Pollen) sein oder sonstigen Schaden nehmen.
Fig. 2. Während der sehr ergiebigen Eukalyptus Trachten in Australien kommt es zu großen Ansammlungen und hohen „Türmen“. |
Fig. 3. Anstelle von Imker-Schutzkleidung wird lediglich ein Hut gegen die starke Sonne getragen. Fotos: Joe Horner. |
Die Vorbereitung und Pflege der Drohnenvölker ist prinzipiell die gleiche wie beim Betrieb von gewöhnlichen Belegstellen. Die Drohnen dieser Völker werden ab der Aufstellung und über die ganze Zeit, in der Begattungen stattfinden sollen, nur am Abend freigelassen. Auf diese Art wird das Eindringen von Fremddrohnen weitgehend verhindert.
Joe Horners Drohnenvölker sind in Beuten mit zwei Langstroth-Bruträumen untergebracht. Besonderheit ist hier lediglich der Boden. Etwa 20 mm über dem eigentlichen Boden ist ein Absperrgitter montiert, darüber ist ein Rand mit noch einmal 20 mm Höhe, so dass sich die Unterkante der unteren Zarge 20 mm über dem Absperrgitter befindet. Ein Flugloch befindet sich unter dem Absperrgitter, ein zweites darüber. Durch eine Klappe ist immer eines der beiden Fluglöcher verschlossen, das andere geöffnet.
Fig. 4. Mit einer motorbetriebenen Hebeeinrichtung auf Rädern können die oberen bereits gefüllten Zargen angehoben und eine leere untergeschoben werden. |
Im heißen Klima Australiens ist die Haltung von Drohnenvölkern nicht ganz unproblematisch. Bei 37-38°C beginnen die Drohnen, ihre Flugaktivität einzuschränken. öber 40°C stellen sie ihren Flug völlig ein, bis die Temperatur wieder unter 39°C fällt. Joes Drohnenvölker sind die ganze Zeit über im Freien aufgestellt. Darüber ist ein Tuch gespannt, das 70 % Schatten auf sie wirft. Die ganze Belegstelle ist mit Gras bewachsen, was auch dazu beiträgt, die Temperatur auf einem für die Bienen angenehmeren Niveau zu halten.
Wie auch unter natürlichen Bedingungen unternimmt die Königin am 4. bis 6. Tag nach dem Schlupf ihren ersten Orientierungsflug. Allerdings fällt dieser unter CFTM-Bedingungen meist kürzer aus. Ebenso wird der Begattungsflug verkürzt, da nach dem Freilassen nur noch wenig Zeit mit Tageslicht verbleibt. Die durchschnittliche Begattungszeit beträgt 7 bis 12 Minuten, gelegentlich wurden 3 bis 5 Minuten beobachtet. Selbst bei dieser kurzen Zeitspanne kann die Anzahl der Flüge, die für eine vollständige Begattung nötig sind, geringer sein als unter natürlichen Bedingungen. Ein großer Prozentsatz unternimmt nur einen Begattungsflug; einige brauchen zwei Tage, um begattet zu werden; nur sehr wenige fliegen auch noch an einem dritten Tag. J oe hat im Laufe der letzten 25 Jahre Tausende von Begattungsflügen beobachtet; unter CFTM-Bedingungen muss man sehr schnell sein, um sie ab- und anfliegen zu sehen.
Die Temperatur im verdunkelten Kühlraum spielt ebenfalls eine sehr wichtige Rolle für die Flugzeit der Königin. Wird diese auf etwa 17°C gehalten, ziehen sich die Bienen etwas zusammen, wie sie es während der normalen Nachtzeit tun, und die Königin erscheint etwa 13 bis 15 Minuten, nachdem die Begattungseinheiten aus dem Kühlraum herausgebracht wurden. Wird die Temperatur im Kühlraum dagegen auf 22 bis 24°C gehalten, kann die Königin manchmal schon im selben Moment ausfliegen, in dem das Flugloch geöffnet wird.
Fig. 5. Am späten Nachmittag, nach Beendigung des natürlichen Drohnenflugs, werden die Begattungseinheiten aus dem verdunkelten und gekühlten Gebäude auf Schienen herausgezogen und positioniert. |
Der Haupt-Drohnensammelplatz von Joe Horners CFTM-Belegstelle befindet sich etwa 500 m davon entfernt auf der anderen Talseite. Zum richtigen Zeitpunkt sieht man die Drohnen in ununterbrochener Linie zum Sammelplatz fliegen.
Um die genaue Zeit zu ermitteln, ab der mit Fremddrohnen nicht mehr zu rechnen ist, werden einige frei fliegende Völker genau beobachtet. Das Volk mit den am spätesten fliegenden Drohnen wird als Referenzvolk ausgewählt. Die startenden und landenden Drohnen werden hier im Zwei-Minuten-Takt gezählt. Joes Drohnen und Königinnen werden erst freigelassen, wenn am Referenzvolk nur zurückkehrende Drohnen (höchstens drei oder vier pro zwei Minuten) gezählt werden. N ach dem Freilassen verbleiben nur noch 1½ bis 2 Stunden Tageslicht.
Joe Horners CFTM-Belegstelle wird seit 25 Jahren betrieben. In diesem Zeitraum hat Joe einen gewaltigen Erfahrungsschatz über Begattungsflüge allgemein und über den Sonderfall CFTM gesammelt. Der Begattungserfolg auf der CFTM-Belegstelle liegt bei 60-80 %. Die Reinbegattung wurde bis jetzt nicht mit einem Cordovan-Test überprüft. Doch kann man sie — laut Joe — anhand der Sanftmut und der Farbe der Nachkommen als weitgehend gesichert annehmen.
Es stellt sich die Frage, ob ein ähnliches System auch hier funktionieren würde. Australien ist weit wärmer und vor allem weit trockener. Andererseits ist die Tageslänge in Mitteleuropa im Sommer größer. Es könnte also durchaus lohnend sein, die Methode hierzulande auszuprobieren.
Veröffentlicht im … ADIZ, die Bienen, 2007(3), S. 26-28. |
auf Thomas Kober, starb †24.10.2012 (46 Jahre) |