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auf Paul Jungels, LU-9361 Brandenbourg |
Bienenvölker mit Varroa Sensitiv Hygiene (VSH) Erbanlagen räumen Brutzellen, in welchen sich Varroamilben erfolgreich vermehren, aus und verhindern hierdurch die ungebremste Varroavermehrung. Derartige Völker können nicht an den Folgen eigener Varroavermehrung zu Grunde gehen. Erbanlagen für VSH finden sich in vielen Bienenherkünften.
Amerikanische Forscher fanden 6 verschiedene Genorte auf 2 Chromosomen. Sie vererben additiv, d.h. je mehr Anlagen im Volk vorhanden sind, desto ausgeprägter zeigt sich das VSH Verhalten. (Oxley, Spivak und Oldroyd 2002 &: 2010; Bob Danka, Tom Rinderer 2013). Belgische Kollegen fanden nach Auszählen Ihrer Buckfastvölker in etwa 10 % ihrer Völker VSH Gene (50 bis 75 %). Richtig verstanden bedeutet dies: etwa 10 % der Völker besitzen einzelne Arbeiterinnen mit 50 bis 75 % VSH Genen.
Die Auslese auf VSH hin ist ungleich schwieriger als es bei der allgemeinen Bruthygiene der Fall ist. Allein schon deshalb, weil das Auszählen und Auswerten der Völker nur bei hohem Varroadruck, also alljährlich gegen Ende der Saison und mit einigem Aufwand erfolgen kann. Bruthygiene und VSH korrelieren nur sehr bedingt miteinander.
Es ist für mich unverständlich, wieso Züchtergemeinschaften und Bieneninstitute alle möglichen Rassenstandards vor derart wichtige Eigenschaftskombinationen stellen. Der Imkerei könnte nämlich durch eine zielorientierte Revision der Prioritäten aller geltenden Zuchtziele enorm schnell bei der Lösung ihrer dringendsten Probleme weitergeholfen werden.
Oft werden die hohen Erwartungen bei der Nachzucht aus Völkern, welche Anzeichen von Resistenzmechanismen zeigen enttäuscht. Um entsprechende Strategien einer zielführenden Verpaarung zu entwickeln, muss man das Bienenvolk als Lebensgemeinschaft mit seinen verschiedenen Subfamilien, hervorgehend aus der Königin und den verschiedenen Spermagruppen der Drohnen, welche eine Königin begatteten, verstehen lernen. Nicht alle Supergeschwistergruppen eines Volkes tragen zwangsläufig alle Eigenschaften, welche das BienenVOLK zeigt, in sich.
Hinzu kommt, dass man in der Natur arbeitet und sich deren Launen unterwerfen muss. Wie schwierig war es beispielsweise im Hochsommer 2013 echte Unterschiede in der Reaktion der Völker auf erhöhten Varroabefall auszumachen, der Befall war bis Ende August auf der Mehrzahl vieler Stände gleich null. Wie schnell sind dann Fehler in die Ergebnisse hineininterpretiert. Das gegenteilige Extrem erlebten wir diesbezüglich im Spätsommer 2014.
Der eleganteste Weg, ein bestimmtes Merkmal in eine Zuchtpopulation einfließen zu lassen ist die Verwendung entsprechend selektierter Drohnen und kontrollierte Verpaarung, und das wiederholt über mehrere Generationen. Meistens wird in Zuchtprogrammen mit Geschwistergruppen, Nachzuchten eines auserlesenen Vatervolkes als Drohnenspender, gearbeitet. Nun ist aber klar, dass nicht jede Nachzuchtkönigin eines Volkes, welches Resistenzmechanismen zeigt, diese Erbanlagen mitbekommen muss. Oft ist nur der Phänotyp (was man sieht) des Vatervolkes bekannt. Man kann daraus aber nur bedingt auf den Genotyp (was in den Genen liegt) der einzelnen Nachzuchten, der Drohnenvölker, schließen. Eine präzise Auswahl unter einer angemessenen Anzahl von Geschwisternachzuchten muss erfolgen, diejenigen mit den erwünschten Anlagen müssen dabei ausfindig gemacht werden. Wir führen diese Vorprüfung auf unserer zentralen Zuchtstation durch. Hier haben wir einen weiteren Vorteil: alle zu vergleichenden Völker befinden sich unter identischen äußeren und klimatischen Bedingungen und in derselben physiologischen Verfassung. Nur dann sind vergleichende Prüfungen aussagekräftig.
Besamt man Jungköniginnen aus Bienenvölkern welche Spuren von VSH im Spätsommer zeigen mit nur einem Drohn aus ebensolchen Völkern, kann man die anfangs erklärte Problematik der in diesem Fall unerwünschten Vielfalt im Volk vorübergehend umgehen: Die etwa 3 Millionen Spermien eines individuellen Drohns sind aufgrund der Parthenogenesis identisch. Man kann also anhand von Brutauszählungen definieren ob und wie viele der VSH -Erbanlagen in den Völkern dieser Königinnen (und damit bei der eventuellen Nachzucht) zusammengekommen sind. Derart eingeschränkt besamte Königinnen kann man nur in Kleinvölkchen halten, der Samenvorrat der Königin ist recht gering. Minibeuten eignen sich hierfür sehr gut, weil echte “Volksatmosphäre³ herrscht. Inzwischen haben wir die Arbeitsweise mit Kleinvölkchen dahingehend entwickelt, dass der recht geringe Samenvorrat der Spermatheka einer Königin die mit nur einem Drohn besamt ist ausreicht, um diese zu überwintern und um erst im Folgejahr die Nachzuchten zu ziehen. Diese größere Zeitspanne erlaubt eine gewisse Prüfung und Auslese weiterer wichtiger Eigenschaften, außerdem kann das ganze Projekt viel entspannter fortgeführt werden. Nachzuchten können dann selbst bei Standbegattung im Folgejahr und nach weiteren Prüfungen als Drohnenspender dienen.
Ausgangsmaterial der Versuchsreihen in unserem Betrieb waren vor diesem Hintergrund Zuchtmütter der seit 2002 geführten Überlebensstände mit Primorski-Buckfastbienen in Kombination mit den VSH Importen aus Baton Rouge. Weitere Kollegen im Züchterbund der ARISTA Stiftung konzentrieren sich auf reine Buckfast Linien. Anfang Mai wird, jeweils von der Stiftung koordiniert, von verschiedenen Linien mit VSH Anzeichen umgelarvt. Die Königinnen werden mit je einem Drohn aus Völkern welche Ausräumverhalten deutlich zeigen besamt. Die Technik der Eindrohnbesamung ist inzwischen so ausgereift, dass fast alle Königinnen mit der Eiablage beginnen.
Nachdem im Juli die Völkchen ausschließlich aus Bienen der eigenen Königinmutter bestehen, wird deren Brut, zusätzlich zu den natürlich vorhandenen Varroamilben, künstlich infiziert. Hierfür bieten wir den Königinnen in den Minibeuten vorbereitete hellbraune Waben in der Mitte der Brutnester an, so dass diese innerhalb von 36 Stunden einheitlich bestiftet werden.
Einige Tage zuvor wird in stark vermilbten Ertragsvölkern die Königin gekäfigt. Eine Woche später steigt in derart vorbereiteten Völkern die Anzahl der Bienenmilben dramatisch an, weil laufend Brut mit Milben schlüpfen, letztere aber keine geeignete Brut zum erneuten Unterschlupf finden. Die Auszählung von je 100 Bienen ergab einen Befall zwischen 19 und 24 % Bienenmilben. Auf geschätzten 20 000 Bienen sitzen also etwa 4500 Bienenmilben. Die einheitlich offene Brut der Versuchsvölkchen wird diesen Bienen vorübergehend zur Weiterpflege gegeben, so dass die Milben nach Belieben in die Brut einwandern können.
Genau eine Woche später erfolgt die bienenfreie Rückgabe der nun weitgehend verdeckelten Brut in die jeweiligen Testvölkchen, diese Brut schlüpft mit den eingedrungenen Milben dort. Ende August wird die gesamte verdeckelte Brut der so künstlich mit Milben infizierten Völkchen und unter Mithilfe von freiwilligen Helfern der Arista Stiftung ausgezählt.
2014 waren sechs von 20 Eindrohnvölkern dem Phänotyp nach zu 100 % VSH, d.h. in keiner befallener Brutzelle gab es bis zum 17. Puppentag Milbenvermehrung, oder aber diese wurden ausgeräumt. Von 4 dieser Königinnen wurden Versuchsnachzuchten erstellt zwecks weiterer Prüfung.
Die diesjährigen Arbeiten am VSH-Projekt begannen im zeitigen Frühjahr mit der Isolation von Drohnenbrut aus drei potenziellen Drohnenspendern für die neue Generation, darunter sowohl reine Buckfast wie auch eine Linie, wo die Auszählung (Phänotyp) des Vorjahres 100 % VSH ergab. Die Erwartungen wurden in jeder Hinsicht erfüllt: Neben den erwarteten negativen Aufspaltungen, welche kaum Anzeichen von VSH zeigten, finden sich nun in der zweiten Generation auch Völker, welche keinerlei Milben in der Brut dulden. Diese Bienen räumen auch Varroaweibchen ohne Nachkommen aus: Nach der wiederholten künstlichen Milbenzugabe befinden sich in diesen Völkchen wohl tote Milben im Futterabteil der Minibeuten als auch unter dem Gitterboden, in der Brut allerdings keine einzige Milbe.
Vier weitere Völkchen sind zu 100 % VSH, d.h. es befinden sich nur Milben ohne Nachkommen in der erwachsenen Brut. 13 weitere Völkchen sind mit 87,5 % respektive mit 75 % VSH absolut nachzuchtwürdig bezüglich VSH.
Die Eindrohnbesamungen bringen auch weitere Unarten zum Vorschein, welche unter normalen Besamungs- oder Begattungsbedingungen wohl verborgen bleiben. Zum Beispiel bei einigen Völkchen extreme Kurzlebigkeit bei den Arbeiterinnen und in einem Fall eine extreme Kalkbrutanfälligkeit.
Auch die Ergebnisse bei den Kollegen in Belgien und Frankreich waren sehr ermutigend: In der zweiten Generation fanden sich einige reine Buckfast- Völkchen mit 100 % VSH Phänotyp. Von diesen wurden noch in diesem Jahr etliches an Nachzuchten erstellt.
Besamungen mit dem Sperma von nur einem Drohn sind unnatürlich und als vorübergehende Spezialmaßnahme zu sehen um ein Zuchtziel zu erreichen. Der endgültige Wert dieser Zuchtarbeit wird sich später bei Standbegattung zeigen müssen. Wir hatten 2015 im Umkreis unserer Zuchtstation auf mehreren Ständen Nachzuchten der VSH geprüften Königinnen vom Vorjahr. Diese durften nach Belieben Drohnen aufziehen. Der subjektive Eindruck, dass meine diesjährigen standbegatteten Nachzuchten in den Begattungseinheiten verstärkt das Jahr über Brut ausräumten, ließ mich nicht los. Ich sah dieses Verhalten jedoch kaum bei den Völkchen, welche mit normalen (nicht VSH selektierten) Buckfastlinien besamt wurden und auf dem gleichen Stand stehen.
Umstandshalber ließen wir auch einige Nachzuchten der VSH-Linien standbegatten. Eines dieser Jungvölker wurde zusammen mit den Minivölkchen gezielt hochgradig mit Milben infiziert und dessen Brut mit ausgezählt. Die Milbenanzahl in der Brut war am 18. August unter die Schadschwelle gesunken und das Volk ist zu 100 % VSH Phänotyp, d.h. ohne Milbenvermehrung bis zum 17. Tag. Dies, obwohl von den 15 bis 20 an der Begattung beteiligt gewesenen Drohnen bestenfalls 4 oder 5 aus der VSH- Zucht stammten. Für die Imkerpraxis könnte dies bedeuten, dass einige genetisch vollwertige VSH Geschwistergruppen im Bienenvolk genügen könnten, um die Milben über viel längere Zeiträume unter der Schadschwelle zu halten. Imker welche mit standbegatteten Nachzuchten von VSH Linien imkern, könnten demnach in einigen Jahren in hohem Masse von der Varroaresistenz, auch ohne sichere Paarungskontrolle, in ihren Ertragsvölkern profitieren. Auch die nicht züchtende Allgemeinheit wird dann langfristig den Nutzen haben.
Wir werden dieser Frage in den kommenden Jahren nachgehen in gesonderten Versuchsreihen mittels präziser Drohnenmischung von VSH-Buckfast- und normalen Buckfast-Linien bei Handbesamung.
Ich muss hervorheben, dass alle Mitarbeiter von ARISTA (mit Ausnahme von 2 Studenten) diese Arbeit ohne jedes Entgelt verrichten. Leider fehlt es dem Projekt an finanzieller Unterstützung. Finanzielle Unterstützung könnte die Möglichkeiten vervielfachen. Allein die Auszählmannschaft der ARISTA-Stiftung war während 6 Tagen(!) in Luxemburg, Belgien, den Niederlanden und Frankreich unterwegs um gleichgesinnten Züchtern zu helfen. Hinzu kommt ein größeres Engagement in Spanien.
Auch die gesamten Vorarbeiten bei den einzelnen Züchtern, inklusive der direkten Kosten und Ertragsausfälle werden nicht vergütet. In unserer Imkerei nimmt das Projekt VSH etwa drei Wochen Arbeitszeit während der ohnehin arbeitsüberlasteten Saison in Anspruch.
Das Einmalige am ARISTA Projekt ist, dass sich gleichgesinnte Spezialisten der Imkerei wie der:
Dank für selbstlose Hilfe an: Renaud Lavend´Homme, Jacques Delhez, Céline Gobin, Didier Brick, Jean-Paul Demonceau, Michael und Jean-Marie Desaulty, Jos Guth sowie an BartJan, Ireen und Bas Fernhout, Stijn Jacobs und die ARISTA–Stiftung sowie an das Ministerium für Landwirtschaft der USA, ganz besonders an Bob Danka.
Veröffentlicht im … der Buckfastimker, 2015 (Heft 4) |
auf Paul Jungels, LU-9361 Brandenbourg September 2015 www.apisjungels.lu |