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von Professor, Doktor Ludwig Armbruster Theodor Fisher Verlag 1919 |
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Die Anlagen für die untersuchten Eigenschaften hat schon Mendel mit einfachen lateinischen Buchstaben bezeichnet. Die Anlage für rot sei bezeichnet mit R, die Anlage für die entsprechende Farbe Weiß (sozusagen Nicht–Rot) bezeichnet man vorteilhaft mit r. Alle Keimzellen einer rein roten Pflanze enthalten dann jeweils die Anlagen R, alle Keimzellen einer rein weißen Pflanze enthalten dann jeweils r. Der Bastard, der aus der Kreuzung zweier solcher Keimzellen R × r entsteht, muß die „Erbformel “ Rr haben, d. h. die Anlage R und r gleichzeitig besitzen.
Also im befruchteten Eikern unseres Rosa–Bastardes von Mirabilis war nach der Erbformel Rr sowohl die Anlage R als r enthalten. Aus der Formel Rr (weder einheitlich große, noch einheitlich kleine Buchstaben!) läßt sich seine Bastardnatur erkennen, aber noch ein zweites: nämlich die Art der gereiften Keimzellen, die er bilden kann und auch bilden wird. Bei der Reifungsteilung werden ja, wie wir hörten, die Anlagen, die bei der Befruchtung zusammenkamen, wiederum getrennt. Der Bastard liefert demnach an reifen Keimzellen sowohl solche mit R als auch solche mit r. Hinsichtlich des Geschlechts besteht hier kein Unterschied: sowohl in den Staubgefäßen (männlich) werden reife Keimzellen mit R und mit r gebildet, als auch im Innern der Fruchtknoten (weiblich) entstehen an reifen Keimzellen solche von der Formel R und solche von der Formel r. Beim oben beschriebenen Versuch haben wir eine größere Zahl von Pollenkörnern auf zahlreiche Narben gebracht. Diese Pollenkörner wachsen in die zahlreichen Griffel hinein und befruchten eine noch größere Zahl von Eianlagen.
Wenn man nun eine größere Anzahl männlicher Keimzellen, unter denen die R und die r gleich stark vertreten sind, zusammenbringt mit einer größeren Zahl weiblicher Keimzellen, unter denen ebenfalls Rr gleich stark vertreten sind, welche „Kombinationen “ müssen da wohl entstehen ? Antwort: offenbar alle Kombinationen, die möglich sind, also: RR, Rr, rR, rr.
Um leicht zu überblicken, welche Kombinationen möglich sind (in diesem Falle ist es zwar leicht, in weniger einfachen Fällen aber schwierig), pflegt man am oberen Rand einer schachbrettartigen Tabelle (Punnet’sches Quadrat) die Buchstaben der männlichen Keimzellen aufzuschreiben, am Rande seitlich links die Buchstaben der weiblichen, ähnlich wie man bei Stadtplänen, Landkarten u. dgl. die Felder oben und seitlich mit Buchstaben bzw. Zahlen versieht, um damit jedes einzelne Feld eindeutig bezeichnen zu können. Weil wir in unserem Falle nur ganz wenige Arten der beiden geschlechtlichen Keimzellen haben, ist das Schachbrett bescheiden klein. Am oberen Rande stehen die männlichen (Zeichen: ) Keimzellen R und r, am Rande seitlich links die weiblichen (Zeichen: ) Keimzellen R und r. In ein einzelnes Schachbrettfeld werden nun zwei Buchstaben geschrieben: erstens der, welcher oben über der Spalte steht; zweitens der, welcher seitlich links in der Zeile steht. Dann kann man keine der überhaupt möglichen Keimzellen übersehen. In unserem Falle sind es also die genannten vier.
R | r | ||
---|---|---|---|
R | RR | rR | |
r | Rr | rr | |
Die Erbformeln, die entstehen, wenn man statt der Lebewesen nur ihre durch Buchstaben ausgedrückten Erbanlagen schreibt, sind eine wichtige Errungenschaft der modernen Vererbungslehre. Diese schlichten Buchstabenreihen der modernen Erbformeln stehen im auffallendsten Gegensatz zu gewissen, verschwommenen, wortreichen Ausdrücken vieler Laienzüchter. In die Sprache der Erbformeln sich einlernen, ist keineswegs schwieriger, als in die Sprache gewisser bisheriger Züchtungspraktiker. Welche Ausdrucksweise der Theorie und Praxis mehr dient, das möge der Züchter selbst entscheiden.
Erbformeln bei der Biene aufzustellen, also die verschiedensten erblichen Anlagen der wichtigsten Bienenrassen festzustellen und zu bezeichnen, ist Aufgabe der wissenschaftlichen Bienenzüchtung. Sind Erbformeln einmal aufgestellt, ist ihre Benützung für den Praktiker sehr zu empfehlen.
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Mendel hatte seine Entdeckung gemacht und seine scharfsinnige Erklärung mit Hilfe der Buchstaben gegeben, bevor man etwas wußte von Chromosomen und von Reifungsteilungen.
Auch bei unserem Gebiete liegt einer der denkwürdigen Fälle vor, wo man das, was der Verstand im Geiste klar sah, zu einem guten Teil hernach auch in Wirklichkeit mit den Augen sehen durfte. Wenn man anfänglich dem Auge kaum traute, so ist das kein schlimmes Zeichen, denn die Probe mit dem Auge ist, wie gesagt, nur teilweise möglich.
Abb. 10. Die Chromosomen bei der Vererbung eines Merkmalpaares. |
Mit dem bewaffneten Auge (Mikroskop, ungefähr 1000fache Vergrößerung) kann man zusehen, wie die Keimzellen reifen. Wenn die Chromosomen sichtbar werden, sind sie gewöhnlich wirr durcheinander, dann aber stellen sie sich in der ungereiften Keimzelle wie in Schlachtordnung auf. Die paarweise Anordnung ist in vielen Fällen direkt zu sehen, besonders dann, wenn, wie bei Abb. 8 und bei der Übersicht der Abb. 10, die Größenunterschiede deutlich sind (z.B. Zeile P der Abb. 10).
Wir erinnern uns: in der jetzt einsetzenden Reduktions- oder Reifungsteilung wird die Zahl der Chromosomen auf die Hälfte herabgesetzt, und die Paarlinge werden dabei getrennt. Ganz links ist ein Paar, das die Anlagen RR enthalten mag. Es ist ein Chromosomenpaarling, der ganz schwarz gehalten ist. Die übrigen sind grau punktiert, sie mögen alle möglichen anderen Anlagen enthalten (die uns jedoch hier nichts angehen). Wie auf einen unhörbaren Befehl rücken sodann die beiden Schlachtreihen auseinander. Sind sie außer Gefechtsfühlung, dann bildet sich zwischen ihnen als Scheidelinie eine neue Zellwand, und eine neue Zelle mit vier Chromosomen ist aus der alten mit acht entstanden (die niedrigen Zahlen sind der leichteren Darstellung wegen willkürlich angenommen). Die weiblichen unreduzierten Keimzellen enthalten das Anlagepaar rr, denn die weibliche Pflanze blüht rein weiß. Die Chromosomen, welche die Anlage für weiße Blütenfarben mit sich führen, sind auf der Abbildung nicht geschwärzt, sondern 1eer weiß gehalten, um uns an die Anlage r = Nichtrot (Weiß) zu erinnern.
Die Figuren der P– oder Eltern–Generationen stellen sowohl auf der linken männlichen, wie auf der rechten weiblichen Seite dar:
Die Tochter– (F1–) Generation ist verbastardiert. Der Mischlingscharakter Rr tritt in der Chromosomenausstattung zutage, abgesehen von den grauen Chromosomen ist eines für Rot und eines für Nichtrot vorhanden (F1 erste Zeile). Bei der Reduktionsteilung stellt sich dieser Paarling für Blütenfarbe auf (F1, zweite Zeile). Sowohl in den Staubbeuteln (männliches Geschlecht mal.gif, links) als in den Samenanlagen (weibliches Geschlecht fem.gif, rechts) können bei der Reduktionsteilung nur verschiedene Teilprodukte, nur verschiedene reife Keimzellen entstehen. Sowohl auf der männlichen wie auf der weiblichen Seite entstehen erstens R–Keimzellen (mit „roten “ Chromosomen), zweitens r–Keimzellen (mit den „nicht–roten “, also „weißen “ Chromosomen). Welche Befruchtungsmöglichkeiten (Kombinationsmöglichkeiten der beiderseitigen Keimzellen) liegen nun vor ? Offenbar vier, nämlich:
I. | II. | III. | IV. |
R × R | R × r | r × R | r × r |
× | × | × | × |
(siehe F1 dritte Zeile.)
In der Enkel– oder F2–Generation haben wir also Lebewesen mit recht verschiedenen Anlagen und recht verschiedenem Aussehen, also die berühmte Aufspaltung.
Es müssen zustande kommen: RR–Pflanzen, die natürlich rot blühen, und rr-Pflanzen, die weiß blühen. Diese reinen Pflanzen bilden die Hälfte der Fälle, während die andere Hälfte der Fälle reine Bastardpflanzen ergeben. Es überrascht uns nicht, daß Rr-Pflanzen gleich blühen wie rR-Pflanzen, nämlich beide rosa.
Wenn viele Kombinationen vorliegen, dann wird nach den Zufallsgesetzen jede der vier möglichen Kombinationen auch gleich häufig vorkommen. So ist es zu erklären, daß auf dem Pflanzenbeet 1/4 rein rote (RR), 1/4 rein weiße (rr) und 2/4 = 1/2 rosafarbige Pflanzen (Rr und rR) gezählt werden.
Den Teilungsvorgang der Chromosomen entdeckte man erst nach Mendel. Man kannte ihn aber einige Zeit, bevor man daran dachte, ihn mit den Mendelschen Anlagen–, Kombinations– und Spaltungsgesetzen in Verbindung zu bringen. Wenn man nicht in den Chromosomen und ihrem Hin und Her einen Apparat vor sich sähe, der die Erbanlagen transportiert, sie zu einem Bündel zusammenfügt, dann auseinandernimmt, um sie wieder aufs neue in neuer Anordnung zusammenzubinden, dann müßte man einen solchen Apparat erst erfinden.
Die Reduktionsteilung trennt (indem sie die Chromosomenpaarlinge trennt) auch die Erbanlagenpaarlinge, so daß diese Erbanlagen bei der Befruchtung neu kombiniert werden können. So ist es auch bei der weiblichen Biene. Bei der Drohne sind Besonderheiten zu erwarten, s.u. Kap. 48.