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von Professor, Doktor Ludwig Armbruster Theodor Fisher Verlag 1919 |
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Fälle von Drei- und Vierfachbastardierungen ausführlich durchzusprechen, ist wohl nicht mehr nötig. Die genauere Erläuterung der folgenden beiden lehrreichen Abbildungen würde auch zu viel Raum einnehmen. Sollte der wissensdurstige Leser auf Schwierigkeiten stoßen bei der Deutung der Bilder, dann möge er zu den ausführlicheren Vererbungsbüchern greifen, etwa denen von Baur und Goldschmidt. Auf Tab. S. 67 ist das frühere Löwenmaul-Schema für Doppelbastardierung (Abb. S. 56) erweitert zu einem Beispiel für Dreifachbastardierung. Als drittes Eigenschaftspaar sei hinzugefügt hohe und niedrige Wuchsform, wobei Hoch (H) über Niedrig (h) dominiert.
P |
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F1 |
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F2 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Ergebnis dieser Tabelle | ||||||||||||||||||||||
9 | : | 18 | : | 3 | : | 6 | : | 3 | : | 6 | : | 1 | : | 2 | : | 9 | : | 3 | : | 3 | : | 1 |
Rot Normal Hoch |
Rosa Normal Hoch |
Rot Normal Niedrig |
Rosa Normal Niedrig |
Rot Röhrig Hoch |
Rosa Röhrig Hoch |
Rot Röhrig Niedrig |
Rosa Röhrig Niedrig |
Hell Röhrig Hoch |
Hell Röhrig Niedrig |
Hell Röhrig Hoch |
Hell Röhrig Niedrig |
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Wenn wir die RR (Rot) und Rr (Rosa)–Pflanzen zusammenfassen unter Rötlich, wenn wir sozusagen R über r dominieren lassen, dann liegt der Fall mit Dominanz in allen drei Merkmalspaaren vor und demnach das Zahlenverhältnis 27:9:9:9:3:3:3:1, also auch im einfachsten Fall eine verwickelte Aufspaltung.
27 | : | 9 | : | 9 | : | 3 | : | 9 | : | 3 | : | 3 | : | 1 |
Rötlich Normal Hoch |
Rötlich Normal Niedrig |
Rötlich Röhrig Hoch |
Rötlich Röhrig Niedrig |
Hell Röhrig Hoch |
Hell Röhrig Niedrig |
Hell Röhrig Hoch |
Hell Röhrig Niedrig |
Die Tabelle S. 68, frei nach Baur, stellt die Zahlengesetzmäßigkeiten, denen wir bisher begegnet sind, zusammen. Aus derselben sind zugleich die mathematischen Formeln ersichtlich, nach denen die Zahlen sich bildeten, und nach denen die betreffenden Zahlen selbst für die verwickeltsten Fälle vorausberechnet werden können [Arnold Lang 1915, der die „Baursche Hybridisierungs-Tabelle“ etwas erweitert wiedergibt, ist ein Fehler unterlaufen. Er gibt an (offenbar ein Flüchtigkeitsversehen), die Zahl der möglichen Befruchtungen sei = der Zahl Genotypen. Jedoch, sind zum Beispiel ♂R × ♀r = Rr und ♂r × ♀R = rR zwar zwei verschiedene Befruchtungsmöglichkeiten, jedoch dieselben Genotypen. Die Zahl der Genotypen zeigt die von mir oben zugefügte Spalte 5.]. Sie zeigt, welche Fülle von Gesetzmäßigkeiten die Mendelschen genialen Ideen sowohl entdeckten als aufklärten. Die Erklärung aller Einzelheiten sei dem Verfasser erspart.
Als Beispiel der Mendelvererbung von vier Merkmalspaaren möge Abbildung 16 dienen. Aus dem Gerstenbastard (mittlere Form der obersten Reihe) mit den vier Eigenschaften:
lassen sich bei Selbstung nicht weniger als 16 verschiedene Typen rassenrein weiterzüchten.
Die Mendelschen Gesetze lehren uns die Versuchsergebnisse selbst der verwickelsten Fälle bequem im voraus zu berechnen.
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Um dem Leser, der an sich kein Freund ist von Rechnen, von Kombinationen und Proportionen, eine Entschädigung zu bieten für die Anstrengung der letzten Kapitel, sei die Besprechung einer Angelegenheit hier eingefügt, die jeden Imker-Züchter aufs lebhafteste beschäftigen muß, eine Angelegenheit, in der auch die Mehrzahl der Königinnenzüchter entschieden umlernen muß. Es handelt sich auch hier um eine notwendige Folgerung aus den exakt bewiesenen Vererbungsgesetzen.
Zander schreibt in seinen Züchterischen Bestrebungen zur Veredelung der Honigbiene 1918, S. 22: „ . . . Im allgemeinen darf man ruhig behaupten, daß durch die Einfuhr fremder Bienenvölker unsere einheimischen Bienen nicht nur in ihrem Aussehen, sondern auch in ihren Leistungen sehr ungünstig beeinflußt wurden. Sie von dem fremden Blute zu reinigen, ist ein wünschenswertes Ziel. Die unterschiedliche Färbung der Rassen bietet dazu eine wertvolle Handhabe und liefert zugleich rascher greifbare Anhaltspunkte für den Erfolg unserer Veredelungsbestrebungen als z. B. die Lebensgewohnheiten, die man immer erst nach längerer Beobachtung beurteilen kann.“ Und in der zweiten Auflage seiner Zukunft der deutschen Bienenzucht schreibt er S. 54 f. noch deutlicher: „ . . . Trotzdem kann der Einzelne manches zur Veredelung der deutschen Biene beitragen, wenn er sein Heil künftig nicht mehr in ausländischen Rassen, sondern in planmäßiger Zucht heimatlicher bodenständiger Stämme sucht, denn ein Tier leistet nur dann etwas, wenn es sich den Lebensbedingungen seines Wohngebietes vollkommen angepaßt hat. Ein gewisser Gradmesser ist die Farbe. Die Drohne soll einen einheitlich schwarzen Hinterleib ohne hellere Zeichnung auf dem Rücken und an den Seiten haben. Auch der Hinterleib der Königin sei möglichst einfarbig schwarz.“ (Ebenso in der ersten Auflage S. 42.)
Die Kramersche Schule der Königinzüchter, also insbesondere die Schweizer Züchter, treten in noch viel deutlicheren Worten dafür ein, daß schwarze Rasse gleichbedeutend ist mit leistungsfähigster, schwarmträger Hüngler- (Honig-) Rasse.
Diese Behauptung steht auf schwachen Füßen. Sie hat denn auch unter den Imkern stets vereinzelte Gegner gefunden, und Verfasser hat 1917 nachdrücklich gewarnt vor übereilten Schlüssen in genannter Hinsicht. Die Vererbungsgesetze, namentlich die Gesetzmäßigkeit der Doppel- und Mehrfachbastardierung, müssen jedem die Augen öffnen, daß jene Behauptung weniger wahrscheinlich ist als das Gegenteil. Schwarmträgheit und Honigeifer sind, soweit sie erblich sind, innere (physiologische) Merkmale. Schwarze Farbe ist aber ein rein äußerliches Merkmal. Wenn aber schon rein äußerliche Eigenschaften, wie etwa Pelzfarbe und Pelzform beim Meerschweinchen-Beispiel und ähnlich Blütenfarbe und Blütenform beim Löwenmaul-Beispiel in so weitgehendem Maße unabhängig voneinander sind, wieviel mehr zwei so verschiedene Eigenschaften wie Chitinfarbe und Schwarmträgheit bzw. Honigeifer. Hier läßt sich ohne weiteres ein Zusammenhang nicht finden. Etwas anderes wäre es vielleicht, wenn es sich bewahrheiten sollte, „daß ein langer schlanker Hinterleib der Königin nach vielfältiger Erfahrung ein sinnenfälliges Zeichen von Schwarmträgheit trotz großer Fruchtbarkeit ist“ (Zander, Zukunft der deutschen Bienenzucht 1. Aufl. S. 42, 2. Aufl. S. 54). Denn Schwarmträgheit könnte mit der Art der Fruchtbarkeit innerlich zusammenhängen (das Wie ist freilich unbekannt) und die Art der Fruchtbarkeit mit der Ausbildungsweise der Eierstöcke der Königin (das Wie weiß man ebenfalls nicht) und die Eierstöcke der Königin mit der Form des Hinterleibs (dessen Ausgestaltung beim Werden einer einzelnen Königin allerdings sehr schwankt).
In der Fachsprache der älteren Züchtungstheoretiker würde die heutige landläufige Züchteranschauung lauten: Schwarze Farbe und Schwarmträgheit bez. Honigeifer stehen in Korrelation.
Die moderne Lehre von den Erbfaktoren besagt jedoch: Die Anlage der einzelnen Merkmale ist von vornherein stark unabhängig voneinander. Darum kann man in weitgehendstem Maße die einzelnen Eigenschaften, aus denen sich ein Lebewesen zusammensetzt, nicht nur fast beliebig kombinieren, sondern naturgemäß ebensogut auch trennen. Die Fälle, wo man gewisse Eigenschaften nicht kombinieren oder gewisse Eigenschaften nicht trennen kann, können zwar vorkommen und müssen uns auch noch beschäftigen, sie bilden jedoch die Ausnahme.
Wenn aber die Natur oder der Züchter die Eigenschaft Schwarmträgheit (bez. Honigeifer) von der Eigenschaft Schwarz trennen und mit der Eigenschaft Hellgelb kombinieren kann, so muß immer wieder hervorgehoben werden, die Herauszüchtung der schwarzen Farbe darf in der wirtschaftlichen Bienenzucht nie Selbstzweck sein. „Zucht auf eine bestimmte Farbe, bei uns auf die schwarze Farbe, ist nicht, wie sie vielen Züchtern scheint, die Rassenzucht, Verbesserungszucht schlechtweg.“ „Wenn man also eine schwarze Biene erzüchtet, braucht man nicht notwendig am Ziele der Verbesserungszucht zu sein“ (Armbruster 1917, S. 153). Schon der Hinweis auf die Heidebiene (Armbruster 1917, S. 153), durchschnittlich die dunkelste deutsche Bienenart und trotzdem als Schwarmgeist verpönt, müßte den genannten Züchterglauben untergraben.
Um nicht mißverstanden zu werden: es ist sehr wohl möglich, daß zurzeit die Mehrzahl der dunklen Bienen bei uns auch wenig schwarmeifrig ist (1917 vom Verfasser ausdrücklich zugegeben), es sei überdies auch eingeräumt, daß die Importvölker durchschnittlich schwarmeifriger waren (dies müßte eben einfach die exakte umfassende Untersuchung entscheiden), aber bis jetzt erscheint es theoretisch nicht ausgeschlossen, daß es sich mehr um ein zufälliges Zusammentreffen handelt, das durch geeignete Maßnahmen sich wohl ändern kann.
Der Fall der Doppelbastardierung lehrt uns vorsichtig sein, wenn man behaupten will, bestimmte erbliche innere Eigenschaften gehen Hand in Hand mit den äußeren.